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Mein Vater

Wenn ich, Michael, im Rückblick an meinen Vater denke, so kommen mir über die Jahrzehnte verteilt Situationen in den Sinn.

Als Kind haben mich seine großen Hände fasziniert. Ich konnte meine Hand zu einer Faust ballen, aber seine Hand umfasste sie ganz. Ich fühlte mich bei ihm dann immer aufgehoben.

Als Jugendlicher wurde mir das Christsein meiner Eltern immer bewusster.

In unserem Haus gingen ja die Missionare vom WEC ein und aus.

Ich war beeindruckt und stellenweise begeistert von deren Art und Weise, wie sie so ganz natürlich mit dem Wort Gottes umgingen und trotzdem mitten im Leben standen.

Wie oft haben wir in unserem Wohnzimmer gesessen und haben uns in den verschiedenen Landessprachen den Klassiker „Welch ein Freund ist unser Jesus“ angehört, von den Missionaren selber vorgesungen oder einen besonderen Bibelvers ebenfalls in der jeweiligen Landessprache. Dies wurde meistens von meinem Vater auf Tonband aufgenommen. Diese vielen Bänder haben wir heute noch. Viele Stimmen von längst schon verstorbenen Freunden und Missionaren sind so erhalten geblieben. In unserem Wohnzimmer war dann die Welt zu Gast.

„Gastfreundschaft“ eine große Tugend unserer Eltern. Wenn Gäste an unserer Tür schellten, so war der erste Satz der Eltern: „Kommt rein!“ (von meiner Mutter gerne auch auf kölsch). Dann wurde sofort Tee zubereitet, meine Mutter holte ihren „Blitzkuchen“ raus, man setzte sich zusammen, und egal wie lange man sich nicht mehr gesehen hatte, es war immer wie „gestern noch gesehen“.

So hat es mich sehr geprägt, wie Gottes Frohbotschaft in den verschiedensten Kulturen und Traditionen verstanden, gelehrt und auch gelebt wurde. Diese freiheitliche Einstellungen hat sich bei mir daher bis heute sehr verfestigt. Unsere Eltern haben uns Kindern das Christsein nie vorgeschrieben, aber immer  vorgelebt, und zwar so, dass man es ihnen abnahm. Auch als wir Kinder das Haus verließen, änderte sich ihr Lebensstil nicht. Es war für uns alle ein ganz wesentlicher Ansatz in unserem Elternhaus.

Das ich jetzt immer wieder von „meinen Eltern“ spreche, liegt mit daran, dass es unsere Eltern immer nur als „Gesamtpaket“ gab. So unterschiedlich sie in ihren Charakteren waren, so einheitlich waren sie in ihrem Auftreten.

Unsere Eltern waren und bleiben für mich tiefgläubige Christen mit einem immensen Gottvertrauen, und das nicht nur in ihrem christlichen, sondern auch in ihrem privaten Umfeld.

Die letzten Monate meines Vaters waren immer wieder geprägt von einer gewissen Sehnsucht nach unserer Mutter und dem Eintreten ins Reich Gottes. Wenn wir uns, als man sich noch besuchen durfte, darüber unterhielten, so erzählte er des öfteren, dass er sich nicht nur auf meine Mutter, sondern auch auf Petrus, Paulus etc. freut, da er soviel mit ihnen zu diskutieren hätte. Ein für mich sehr beruhigendes und schönes „Bild“.

Was ich jetzt doch sehr vermissen werde, ist, dass keiner mehr zu mir sagen wird: „Schön, dass Du da bist, mein lieber Sohn!“ So kann ich nur noch sagen, genau wie mein Vater an Muttis Grab überzeugt sagte: „Lieber Papa, auf Wiedersehen!“

"Es gibt nichts, was die Abwesenheit eines geliebten Menschen ersetzen kann. 
Je schöner und voller die Erinnerung, desto härter die Trennung. 
Aber die Dankbarkeit schenkt in der Trauer eine stille Freude.
Man trägt das vergangene Schöne wie ein kostbares Geschenk in sich." Dietrich Bonhoeffer

Beim 80. Geburtstag unserer Mutter in Ewersbach


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