Hertha und Robert Ritterskamp 1975 auf der Baustelle des Neubaus der Freien ev. Gemeinde Köln-Mülheim zusammen mit Prediger Helmut Georg, der ihnen den aktuellen Stand der Bauarbeiten erläuterte. Die Beiden hatten noch die Zerstörung des Vorgängerbaus in lebendiger Erinnerung.
Robert Ritterkamp im Oktober 1974:
Der Bombenangriff vom 28. Oktober 1944
bleibt für uns alte Mülheimer Bürger ein unvergessenes Inferno. Es war schlimmer als alle Artillerie- und Fliegerangriffe, die ich selbst im 1. und 2. Weltkrieg mitgemacht habe.
Am Samstagnachmittag um 15 Uhr heulten die Sirene Großalarm. Ich war gerade von meinem Dienst bei der Luftschutzpolizei nach Hause gekommen und konnte noch eben mein Gepäck ablegen, da fielen auch schon die ersten Bomben. Da wir durch die jahrelangen Kriegsereignisse geübte Augen und Ohren hatten, merkten wir sehr bald, dass diesmal speziell Mülheim dran war. Eine Fliegerwelle nach der andern lud ihre tödliche Last über unsern Häusern ab. Um 15.30 Uhr schon waren wir „dran“. Mein dreistöckiges Haus in der Adamsstr. 75 wurde von 5 Brand- und 2 Sprengbomben getroffen. Da einige Badewannen und Wasserbehälter noch randvoll gefüllt waren, fing ich mittels einer Handspritze in unserer Wohnung sofort mit Löschversuchen an. Bald musste ich aber feststellen, dass Feuerfunken von der Decke herab in meinen Nacken fielen. Daraufhin konzentrierte ich meine Löscharbeit auf das Treppenhaus, das noch aus Holz bestand.
Da die andern Hausbewohner im Bunker Schutz gesucht hatten, war ich mit meiner Frau allein im Kampf gegen das Feuer, das sich mehr und mehr ausbreitete.
Als schließlich unter der Hitze meine Augen derart litten, dass sie fast völlig ihren Dienst versagten, musste ich aufgeben. Man nannte das „rauchblind“.
Inzwischen war unser Haus bis auf die Außenmauern und den Keller niedergebrannt. Man sagte dazu: “Rest am Boden zerstört.“ Wir beide gingen in den Garten und dachten an Hiob und seine starken Worte: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genommen, der Name des Herrn sei gelobt.“ Auch wir versuchten dieses Lob aus der Tiefe nachzusprechen, waren wir doch mit dem Leben davongekommen.
Für die Nacht suchten wir noch ein letztes Mal Schutz in unserem Keller. Vorsichtshalber tastete ich Wände und Decken ab und stellte fest, dass sie vor Hitze glühten. Vor Erschöpfung Müdigkeit achteten wir der Gefahr des Einsturzes nicht, sondern schliefen unter Trümmern „von Gottes Händen wunderbar geboren“.
Am Sonntagmorgen ließ ich mich von meiner Frau zur nächste Sanitätsstelle führen. Das war eine aufregende Kletterpartie über mehrere Gartenmauern hinweg, bis wir endlich auf die Adamsstraße und von dort zum Bunke in der Berliner Straße gelangten. Wir wurden meine Augen ausgewaschen und mit einer wohltuenden Salbe behandelt.
Nach 5 Tagen konnte ich wieder etwas sehen, und 2 Wochen später war mein Augenlicht wieder hergestellt.
Nun sah ich mit Schrecken, was der furchtbare Angriff angerichtet hatte: Die einstmals reiche und schöne Stadt „Mülheim am Rhein“ war zu 90 % zerstört und fast dem Erdboden gleichgemacht. Auch die beiden benachbarten Gotteshäuser, die katholische Liebfrauen- und die ev. Lutherkirche mussten neben vielen anderen daran glauben. Ebenso die Häuser der Stadtmission und der freien Evang. Gemeinde in der Regentenstraße.
Zum Schluss noch eines: Der Terrorangriff vor 30 Jahren war in Wirklichkeit viel schlimmer, als ich ihn aus der Erinnerung beschreiben konnte.
Ergänzenden Nachtrag:
Am 20.4.2023 verstarb Helene Bittner. Wie mir Bernhard Kuxdorf am 1.5.2023 mitteilte, hatte sie diesen Angriff in ihrem Elternhaus in der Graf-Adolf-Straße ebenfalls überlebt und ihm später davon berichtet.
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