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Spatz in der Hand


 Erinnerungen an Frau Martha Schwarz (1902-1992)

Liebe Leser,

als ich heute wieder mal dabei war, gesammelte Todesanzeigen einzuscannen, stieß ich auf die Todesanzeige von Frau Martha Schwarz. Sie ist mir noch nach mehr als 40 Jahren als eine still herausragende Frau in Erinnerung geblieben. Ich habe sie in den 70er Jahren nur zwei- oder dreimal persönlich getroffen. Meine Mutter hatte sie durch ihre Tätigkeit als Sekretärin auf dem Pfarrbüro der Evgl. Kirchgemeinde Köln-Buchheim kennengelernt. Denn dort ging Frau Schwarz regelmäßig zum Gottesdienst. Die beiden Frauen entwickelten einen guten Draht zu einander. Von meiner Mutter erfuhr ich nach und nach einiges über sie. 

Anfangs hatte sie am vorderen Ende der Wichheimer Straße, in einem der alten Häuser aus der Gründerzeit gewohnt. Ihre kleine Wohnung dort war dunkel. Später zog sie in eines der modernen Mehrfamilienhäuser gegenüber der Grundschule von Köln-Buchheim um, wo sie mehr Licht in der Wohnung hatte.

Als der Ehemann von Frau Schwarz gestorben war, hatte sie sich an den Leiter der Riehler Heimstätten, einem großen Kölner Altenheim, gewandt und diesen gefragt, welche Bewohner denn keinen Besuch bekämen. Um solche Leute wolle sie sich nun kümmern. Diesen Dienst als treue Seele machte sie jahrelang. Wenn Bewohner verstarben, suchte sie neue, die sie besuchen konnte.  

Als ich während meines Studiums mal in den Ferien nach Köln kam, schickte meine Mutter mich los, ihr Süßigkeiten zu bringen. Diese sollte ich ihr mit dem Hinweis überreichen, dass die nur für sie selber bestimmt seien und von ihr nicht wie sonst üblich an einen ihrer Schützlinge weitergegeben werden sollten. Es war ein Sommertag, als ich sie aufsuchte. Eine kleine, bescheiden auftretende, warmherzige Frau. Sie bot mir etwas zu trinken an. Dann saß ich mit ihr vor ihrem geöffneten Fenster im Wohnzimmer. Staunend erlebte ich, wie Spatzen auf dem Fensterbrett landeten und ganz selbstverständlich ins Wohnzimmer hüpften. Frau Schwarz hatte dort auf dem Tisch nahe des Fensters Körnerfutter für die gefiederten Gäste ausgestreut, die sich sofort bedienten. Mir fiel dazu Jesu Wort aus der Bergpredigt (Matthäus 6,26) ein: „Seht hin auf die Vögel des Himmels, dass sie weder säen noch ernten noch in Scheunen sammeln, und euer himmlischer Vater ernährt sie.“ Dieses berührende Erleben ist so in mir haften geblieben, daß ich es mit Ihnen heute teilen möchte.

Herzliche Grüße

Dr. Friedhelm Röder 

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